Freitag, 8. August 2008

Frage und Antwort

Mitteilungen aus Nassau

Ich habe mich gefragt, wo die Menschen arbeiten, die hier wohnen. Denn Bauern gibt es hier nur noch ganz wenige. Ein paar größere Betriebe gibt es. Der größte Arbeitgeber sind die Heime in Scheuern, der zweite die Verwaltung von Leifheit, beide ca. 600 Beschäftigte. Auch Emde und Groß gehören beide in der Bereich der Metallverarbeitung. Noch einige andere gibt es und freilich kleinere Betriebe. Sehr viele Menschen aber pendeln täglich im Rhein-Main-Gebiet, oft nach Wiesbaden oder Frankfurt.

Eigentlich bekomme ich immer eine Antwort, wenn ich nach etwas frage.


Oder ich höre mit. Im Pfarrbüro. Bei Besprechungen. Gespräche zwischen Herrn Staude und P. Klapsing. Und natürlich steht hier im blog vieles nicht, was ich doch weiß und weder Euch noch sonst wem verrate. So wenig, wie ich das ausplaudere, was Ihr mir erzählt.

Natürlich gibt es auch immer wieder Gespräche mit M. Staude über die Gemeinde und die pastorale Arbeit vor Ort. Aber auch über Unfallseelsorge z.B., oder über die Ideen unseres Bischofs oder über Jugendarbeit.


Und dann gibt's noch freitags das Reflexionsgespräch über's Praktikum, meine Sicht der pastoralen Arbeit hier und zur Berufsrolle des Pastoralreferenten.

Was ich zur pastoralen Arbeit hier sagen soll, weiß ich nicht recht. Ich find's ziemlich normal hier und läuft gut im großen und ganzen.
Auch zwischen den Hauptamtlichen. Meine Sicht der Berufsrolle hat sich auch bisher nicht großartig verändert.

Wegen mir sollen die Priester ihren Job ordentlich machen - und mich den meinen machen lassen. Es gibt genug zu tun. Mich interessiert nicht mal das Backen von Berufsbildern. Ich habe zu viele Rollendrexler an der Arbeit gesehen.

Ich wusste, was ich tat, als ich konvertierte. Und was die Konsequenzen sind. Für mich ist klar, dass es Zoff gibt, wenn mich einer menschlich oder theologisch nicht ernst nimmt. Und das hat nichts mit unterschiedlichen Meinungen zu tun. Mein erster Vorgesetzter ist Christus, unser Herr. So war es, als ich allein ohne geistlichen Beistand und in Not war. So ist es jetzt, wenn auch mit allem Scheitern und Versagen. Und daran ändert ein Pfarrer als Vorgesetzter gar nichts.

Eigentlich ist es ziemlich bequem, wenn andere die letztliche Verantwortung tragen und mit ihrem Namen unterzeichnen. Wenn man den Buhmann für unbequeme Entscheidungen deligieren kann.
Das muss man schon auch dazusagen.
Ich bezweifle nur bei manchen Pfarrern, die mir begegnen, dass sie willens und in der Lage sind, ihr Tun mehr als nur oberflächlich zu verantworten.


Mich beschäftigen andere Dinge: Angst lähmt die Kirche. Theologische Ideologisierung. Kurzsichtige Rückwärtsgewandtheit. Formalismus. Skrupolöse Enge.
Angst öffentlich die Meinung zu sagen.
Man muss nicht jede Laue publizieren, nicht jeden eigenen Pfurz konservieren, nicht jeden Konflikt der Öffentlichkeit vorlegen. Aber nach noch nicht drei Jahren in der Katholischen Kirche denke ich selbst entschieden zu oft nach, bevor ich etwas sage. Es sei denn hinter verschlossenen Türen.

Und die Angst dringt tief in unser Denken und Fühlen und Beten hinein. In die Bilder und Ereignisse, die wir in uns haben und die uns erzählen, wer Gott ist.

Wir werden schuldig werden. Wir töten den Geist Gottes.
Uns wird die Angst regieren und nicht mehr der wahre Gott, dem man vertrauen darf.


Manchmal frage ich mich, ob man nicht am Ende mehr für die Kirche tun kann, wenn man nicht von ihr bezahlt wird.

Auf den Dörfern

Mitteilungen aus Nassau

P. Klapsing von den Arnsteiner Patres, der Pfarrer für den ganzen Pastoralen Raum ist, ist seit Dienstag aus dem Urlaub zurück. Er kommt jeden Tag vormittags her, vor allem um Absprachen zu treffen und im Papierkrieg zum Sieg zu führen.
Er hat mich auch gleich am Abend rauf nach Singhofen zur Messe mitgenommen, damit ich auch etwas über Nassau hinaus blicken kann. Für die gestrige Messe hier in Nassau wurde ich als Lektorin aquiriert.

Gestern Nachmittag gingen wir auf Tour durch die Dörfer. P. Klapsing machte, wie immer am 1. Donnerstag und Freitag im Monat, seine Runde zur Krankenkommunion und nahm mich mit. Wir besuchten eine alte Dame in Hömberg, eine in Oberwies.

Dazwischen lag ein Abstecher ins Pfarrbüro nach Winden, dem höchstgelegenen Dorf der Gegend, wo die Leute noch 'richtig' und immer-schon katholisch sind. Die meisten Orte des Gemeindegebietes sind mehrheitlich evangelisch. 20% Messbesuch am Sonntag. Inzwischen wohnen da aber auch 300 Nicht-Katholiken, bei 800 Einwohnern. Neubaugebiet. Nichts bleibt, wie es war.
Netterweise bekamen wir zu genau der richtigen Zeit eine Regenpause.

Beide Seniorinnen freuten sich über unseren Besuch. Freilich gehört das Schwätzchen dazu. "Es ist mir wichtig, auch noch ein wenig mit den Leuten zu reden", sagt P. Klapsing, "nicht nur mir 'Gelobt sei Jesus Christus' reinzustürmen und gleich loszulegen...".
Ich finde es immer wieder spannend zu sehen, wie Menschen wohnen.

Dann fuhren wir in Nassau zum "Nassauer Hof", einem Altenheim für die ganz Armen. Viele dort sind ganz einfache Leute, oft auch geistig behindert oder geschädigt. Eine ganze Reihe waren zuvor in den Behindertenheimen in Scheuern. "Nicht erschrecken", warnt mich P. Klapsing, bevor wir das Haus betreten.
Mich erinnert die Ausstattung an Besuche in östlichen Nachbarländern zu sozialistischen Zeiten. Die Einrichtung ist altmodisch und zusammengestöpselt. Versuche, es ein wenig hübsch zu machen, kann man entdecken, sichtlich ohne dass es etwas kosten darf. Nichts wirkt professionell.

Drei ältere Damen und ein junger Mann warten schon im Zimmer. Es ist das von zwei der Frauen, es gibt Zweibettzimmer hier. Nirgends ist der Empfang so herzlich und die Dankbarkeit so groß wie bei denen vom "Nassauer Hof".
Allerlei Bildchen sind an den Wänden. Auf den Tisch haben sie ein hölzernes Kruzifix gestellt, das sie immer extra holen, wenn P. Klapsing zur Krankenkommunion kommt.
  • Der Kommunionempfang bedeutet viel für einen katholischen Christen. Er sagt uns, dass wir zur Gemeinde und Kirche gehören. Gott ist bei uns gegenwärtig, und er will uns in diesem Zeichen 'in Fleisch und Blut übergehen'.

  • Natürlich braucht das eine würdige Form. Rituale sind entlastend. Sie geben Struktur, schaffen den Rahmen, der den Dingen ihren Stellenwert zuweist.

  • Und die Spendung der Krankenkommunion ist ein Anlass für einen Kurzbesuch - ohne sich allzu lange aufhalten zu müssen.
"Es kann sein, dass Sie das später auch mal machen müssen", meint P. Klapsing. Der Ablauf der Kommunionspendung ist bei ihm immer gleich: "Man kann es auch anders machen, aber so wissen die Leute, was los ist."
Nun, so genau so würde ich es bestimmt nicht machen. Das wäre nicht meine Art. Ich bin nunmal nicht P. Klapsing.


Das war also etwas 'neues', katholisches. Schließlich habe ich vorher wirklich noch keine Krankenkommunion miterlebt.

Bei Evangelischen gibt es das so aus theologischen Gründen nicht. Weil Brot und Wein nur während der Abendmahlsfeier - "im Vollzug" - als Christi Leib und Blut gelten, wird die Kommunion nicht mitgebracht.
Gewöhnlich lehnt man es ab, dass eine Krankenkommunion möglich ist, bei der der Leib Christi - die in der Messe gewandelte Hostie - in einer Dose mitgeführt und zu kranken oder gebrechlichen Gemeindegliedern gebracht wird.

Es kann eine Abendmahlsfeier im Haus des Kranken gehalten werden, wenn das gewünscht ist. Aber sehr oft kommt das nicht vor. Und die Pfarrer hätten auch gar nicht die Zeit dafür...

Eine Kirche voller Kinder

Mitteilungen aus Nassau

Erst kamen nur ein paar hereingestürmt. Dann klassenweise Scharen von Grundschülern. Die Kirche toste.
So begann heute morgen der Schulanfangsgottesdienst für jeweils drei Klassen des 2. - 4. Schuljahres in unserer St.-Bonifatius-Kirche. Von evangelischer Seite war diesmal die Pfarrerin von Pohl dabei, das liegt südöstlich hinter dem Berg gegenüber.

Stellt Euch "Er halt die ganze Welt in seiner Hand", "Halleluja, preiset den Herrn" und "Laudato Si", begleitet mit Gitarre und Klatschen, laut geschmettert aus 250 Kinderkehlen vor.
Wir zeigten den musikuntermalten Flash "Liebesbrief von Gott" von der E-Water-website mit Beamer - da war es sogar fast ruhig. Die Texte habe ich allerdings mit Mikro vorgelesen. So schnell mitzukommen, wären Zweitklässler doch überfordert gewesen. Jedes Kind bekam dann auch einen papierenen "Brief von Gott", mit deren Falten und Eintüteln ich fast den ganzen Mittwoch verbracht habe.

Die Schulleiterin hat sich hinterher sogar bei uns bedankt.


Wenn man eine Praktikantin da hat, kann man so aufwändige Aktionen natürlich leichter hinkriegen. Schließlich habe ich ohnehin nicht so viel zu tun. Nächste Woche wird sich die Zahl der Termine deutlich erhöhen. Allmählich kehrt nach den Schulferien Alltag ein. Mein Mentor versucht, noch viel vorzuarbeiten, bevor alles aus den Löchern kriecht und vor den Türen steht.

Nicht nur habe ich den Mittwoch über Briefe einkuvertiert, sondern auch am Dienstag vorher die eingescannten Klassenlisten korrigiert und in die Form einer Seriendruck-Datenquelle gebracht.
Als ich daher am Mittwoch Abend über den Friedhof zurück in mein Quartier ging - das ist der kürzeste Weg - entdeckte ich so manchen Familiennamen wieder auf Grabsteinen.


Am Dienstag hatten wir hier auch schon mal die Kirche voll mit Kindern - und Eltern samt Großeltern: Da war Einschulungsgottesdienst der Erstklässler. Das war der, für den ich (siehe Mo, 4. August) die Sonnen ausgeschnitten hatte.
Eine Windel, eine Babyflasche, Kinderschuhe und ein Malbuch standen für Stationen auf dem bisherigen Lebensweg der Kinder bis zur Einschulung. Die Sonnen wurden dann jeweils unter Gesang "Gottes Liebe ist wie die Sonne" zu den Symbolen gelegt.

Montag, 4. August 2008

Optimaler Start

Mitteilungen aus Nassau

Der Vor-Schulbeginn-Freitag, auf den ein noch ruhigeres Wochenende folgt, ist ein optimaler Einstieg fürs Praktikum: Genug Zeit, sich zu orientieren, bevor man von Veranstaltungen etc. überrollt wird.



Wenn man dann auch noch einen engagierten Mentor hat, der einen darin kräftig unterstützt, Material zur Verfügung stellt usw., ist das noch besser.

Am Samstag haben wir sogar eine "Sightseeing"-Tour gemacht bis an die Grenzen unseres Pastoralen Raumes und bis in die Nachbar-Räume Bad Ems und Lahnstein. Da ganz oben gibt es nämlich ein Ferien-Lager, wo Kinder während der Sommerferien (jeweils zwei Wochen aus drei Gebieten) den Tag verbringen können: "Die Scheune" heißt das fröhliche Treiben mit Tradition.
Nett, oder?

Nachmittags, während Herr Staude sich über die Ansprache für die heutige Beerdigung hermachte, konnte ich mich weiter durch den Bericht des früheren Pastoralassistenten lesen, in dem einiges zur Arbeit in dieser Gemeinde (bzw. dem Pastoralen Raum) zu erfahren ist.
Vor allem auch über ein großes Jugendprojekt, das vor einem Jahr unter dem Titel "Up to the Stars - Ein Erlebnisabend unter Sternen" stattfand, mit Projektchor und Band, Schulprojekten und mehr: Alles mündete in eine abschließende zweistündige öffentliche Präsentation mit Gastronomie und unter Schirmherrschaft des bekannten (Sterne-)Kochs Johann Lafer. Muss, selbst bei Beteiligung der evangelischen Geschwister, ein gigantischer Aufwand gewesen sein, wenn man das neben dem 'laufenden Geschäft' auf die Beine stellt.

Mit Hintergrundwissen bin ich inzwischen schon ganz gut ausgestattet. Dafür, dass ich den vierten Tag hier bin.


Den Sonntag habe ich in meinem Zimmer 'verplempert'.
Morgens war ich in der Kirche. Das war's aber auch. Ich habe dabei ein paar Leute neu kennengelernt, u. a. eine Dame, die Jahrzehnte im Kirchenchor gesungen hat - den es inzwischen nicht mehr gibt (mangels Nachwuchs), und ein Paar aus Winden.
Man muss ja das Lernen mal unterbrechen. Ich nehme nämlich sofort irgendwas über meinen Standort auf, sobald ich mich hinaus begebe.

Abends bimmelten die Glocken und ich entsann mich, dass um 20 Uhr ein Taizé-Gebet ist in der evangelischen Johanneskirche. Das ist überall eine gute Gelegenheit, mit Leuten danach ins Gespräch zu kommen. Vor allem, wenn man als gute Sängerin auffällt. Geten hat manchmal Nebeneffekte. (Übrigens nicht nur solche.)
Unter anderen konnte ich die Pastorin der Johannesgemeinde kennenlernen.


Heute morgen war dann die Beerdigung hier in Nassau. Beerdigungen zwischendurch sind eine Gelegenheit, sich im Machen und Tun an die Eckdaten unseres Seins erinnern zu lassen.
Man kann wohl schlecht sagen, man mag Beerdigungen. Aber solange ich den Verstorbenen nicht (oder nicht gut) gekannt habe, empfinde ich es eher als etwas, was es mir erleichtert, zu mir und zum Gebet zu kommen. Und also als geistliches Geschehen.
Und darum macht es lebendig.


Vorhin habe ich mich kreativ betätigt: Sonnen aus Pappe hergestellt, die wir morgen für den Einschulungsgottesdienst der Erstklässler brauchen, und dazu einen Weg aus Tüchern und Steinen in der Kirche gelegt.

Dies wurde gleich mit einer privaten Kirchenführung "Raumnutzung und Raumveränderung in einer der ältesten Zeltkirchen" verbunden. Die stammt nämlich vom 1962, und also vom Anfang der Zweiten Vatikanischen Konzils. Falls in Limburg mal das Geld dazu da ist, soll sie in absehbarer Zeit - das Konzept steht - neu gestaltet werden und dann auch im Halbkreis angeordnete Bänke bekommen, wie sich das für eine Zeltkirche ja wohl gehört...

Die Liedblätter gefaltet habe ich auch noch.
Zwischenrein lese ich ein paar Dinge: Über Besuchsdienst und Schul-/Kindergarten-Gottesdienste, sowie einen Unterrichtsentwurf.

Ach ja, einen Schlüssel habe ich jetzt auch fürs Gemeindehaus. Meine Unterkunft ist ohne Küche (nur Kühlschrank und Wasserkocher). Und da drin kann man Kochen...

Samstag, 2. August 2008

Der Tag, an dem ich eine 3/4 Stunde nach Hause brauchte

Mitteilungen aus Nassau

Nein, ich habe mich nicht verlaufen. Ich kenne den direkten Weg, und es ist auch kaum weiter als 5 Minuten vom Pfarrbüro bis in meine Unterkunft.

Es war mein erster Tag im Gemeindepraktikum. Ich war vorher ein einziges Mal in Nassau gewesen: Zum Pfarrfest Anfang Juni, kurz nachdem ich erfahren hatte, wohin ich gesandt werde. Da nahm ich die Gelegenheit beim Schopf, schon mal ein wenig Nassauer Luft zu schnuppern und meinen Mentor M. Staude kennen zu lernen. Und freilich musste ich eine Unterkunft auftreiben (höchste Zeit - im Sommer sind in Nassau günstige Zimmer rar). Wie gut, wenn man von Gemeinde-Insidern mit den richtigen Leuten zusammengebracht wird...

Nun bin ich also 'richtig' da, wie jemand, den ich auf dem Heimweg traf, es sagte.

Ich kam um 10.15 Uhr mit dem Zug an, brutheißer Tag, schon in Offenbach war ich klatschnass geschwitzt bis ich mit meinem dicken prallen, Rollkoffer am Bahnsteig war.
  • Um 11 Uhr war dann gleich eine Beerdigung in Dausenau, dem nächsten Ort lahnabwärts: Herr Staude nahm unter den mehrfachen Kleiderschichten ebenfalls ein Schwitzbad. Danach bekam ich beim Dienstgespräch in der Realschule einen ersten Eindruck vom Lehrerkollegium: Inhaltlich gab es da keine aufregenden Dinge, atmosphärisch wohl...
  • Nachmittags führte mich mein Mentor erstmal anhand der bereits bekannten Termine in wichtige Arbeitsgebiete seiner Tätigkeit ein, und wir sprachen über dies und das.
  • Schließlich konnte ich mich noch ein wenig nützlich machen, indem ich Material und Katechesen für den Erstkommunionunterricht - das mir im übrigen gut gefällt - ausdruckte, lochte und, soweit nötig, einheftete.
  • Während Herr Staude kochte - er hatte mich zum Abendessen in seine Familie eingeladen, was ich ganz toll nett finde - konnte ich auch noch die Sozialraumanalyse (Statistik über die Gemeindestruktur) für die Gemeinde Nassauer Land lesen, die der frühere Pastoralassistent verfasst hat.
Dann war mein Hirn aber wirklich 'dicht'. Nach dem Essen - welches hervorragend schmeckte - machte ich mich vom Acker. Es war inzwischen 5 nach 8, ich war um 6.30 Uhr aufgestanden und seither in irgendeiner Form 'am Werkeln'.

Ich brauchte tatsächlich bis 10 vor 9, um in den Ackerweg zu kommen. Mein Besuch beim Pfarrfest hatte exakt erreicht, was ich bezweckt hatte: Weniger, dass ich die Leute kenne, das sind zu viele auf einmal. Aber die Leute kennen mich. Ich muss die Aufmeksamkeit anschalten, wenn ich durch den Ort gehe, damit ich nicht Leute übersehe, die mich kennen, auch wenn ich kaum weiß, dass ich sie schon mal gesehen habe...

Jedenfalls konnte ich mit einigen Leuten auf der Straße oder am Gartenzaun einige Worte wechseln. Und mit Herrn Schwarz werden es ein paar Worte mehr. Das ist das ganze Geheimnis des "Nicht-Weiterkommens"...

Experiment

Ich befinde mich in Nassau. Nicht auf den Bahamas, sondern Nassau an der Lahn. Das ist ein kleines Städtchen mit ca. 5000 Einwohnern, gelegen in Rheinland-Pfalz zwischen Limburg und Koblenz. Das ist da, wo die ganzen Fürsten herkommen, der Freiherr von Stein, der die Kommunalverwaltung "erfunden" hat, die Oranier von den Niederlanden usw... ein Schloss hat's hier auch noch. Leifheit war auch mal von hier, bis sie sich nach Tschechien verbilligen wollten; inzwischen sind sie zwar zurück in Deutschland, aber hierher scheinen sie sich nicht mehr so recht zu trauen, dabei wären die Nassauer gar nicht böse, wenn sie die Produktion auch wieder hätten und einfach hier arbeiten könnten.

Ich verbringe den ganzen August da, allerdings mache ich keine Ferien, obwohl ich diese hübsche Gegend nur jedem als Urlaubsdomozil empfehlen kann: Ich bin hier im Gemeindepraktikum in der Pfarrei St. Bonifatius, oder vielmehr im Pastoralen Raum Nassauer Land, wie das bei uns im Bistum heisst.

Ich nenne es Experiment. So sagen dazu mit den Jesuiten auch andere Ignatianer, wenn sie sich Zeit nehmen, irgenwo zu sein, wo sie sonst nicht sind.
Hingehen - da sein - schauen was passiert.